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Astronomen entdecken den bislang ursprünglichsten und schwersten braunen Zwerg am Rande der Galaxis

5. Juli 2017


Brauner Zwerg
Künstlerische Darstellung des neu entdeckten, rekordverdächtigen brauen Zwerges (Bildrechte: John Pinfield)

Einem Team internationaler Wissenschaftler mit Beteiligung von Astronomen des Sonderforschungsbereichs SFB 881 „Das Milchstraßensystem“ an der Universität Heidelberg ist es gelungen, einen rekordverdächtigen braunen Zwerg zu identifizieren:

Der neu entdeckte Himmelskörpers ist nicht nur der massereichste Vertreter seiner Art, seine chemische Zusammensetzung ist auch die ursprünglichste, also an schweren Elementen ärmste, aller bislang analysierten braunen Zwerge. Über ihren Fund berichteten die Astronomen in der Juniausgabe der Fachzeitschrift Monthly Notices of the Royal Astronomical Society.

SSDSS J0104+1535, so die Bezeichnung des Objektes, besteht aus Gas, dessen Zusammensetzung etwa 250mal reiner als die der Sonne ist. Sein Anteil an Elementen schwerer als Wasserstoff oder Helium (die sogenannte Metallizität) beträgt weniger als ein halbes Prozent des Wertes der Sonne. Das Alter des braunen Zwerges liegt bei etwa 11 bis 13 Milliarden Jahren und seine Masse entspricht mehr als 90mal der Masse von Jupiter. Damit ist der jetzt gefundene Himmelskörper der schwerste bisher identifizierte braune Zwerg, gleichwohl zu leicht, um wie ein Stern Fusionsenergie zu erzeugen.

750 Lichtjahre von der Sonne entfernt im Sternbild Fische gelegen, befindet sich dieses exotische Objekt heute am äußersten Rand der Scheibe unserer Galaxis. Seine Bewegung verrät jedoch, dass er tatsächlich auf einer stark geneigten und exzentrischen Bahn aus einer noch entfernteren Region des Milchstraßensystems, dem sogenannten Halo, gekommen ist — ähnlich, wie sich Kometen auf ihren langgestreckten Orbits zeitweilig ins Innere unseres Sonnensystems bewegen.

Diese Entdeckung ist deshalb von Bedeutung, da es bislang keine Hinweise darauf gab, dass sich braune Zwerge überhaupt aus einer so ursprünglichen Gaszusammensetzung entwickeln können. Es ist aber durchaus möglich, dass es weitere unentdeckte Populationen dieser extrem reinen braunen Zwerge aus der ältesten Vergangenheit unserer Galaxie gibt.

Das Team unter der Leitung von Dr. ZengHua Zhang vom Institut für Astrophysik der Kanarischen Inseln (IAC) nutzte dabei Spektren im optischen und nahinfraroten Wellenlängenbereich des neuen X-shooter Spektrographen des Very Large Telescopes (VLT) der europäischen Südsternwarte ESO. Anhand dieser Beobachtungen und dem Vergleich mit ähnlichen Sternen stuften die Wissenschaftler SDSS J0104+1535 als brauen Zwerg des Spektraltyps usdL1.5 ein, nach einem erst kürzlich von Zhang entworfenen Klassifikationsschema für diese Art von Himmelskörpern. Er ähnelt demnach den kühlsten wie auch den metallärmsten bislang bekannten Sternen.

Die beobachteten Merkmale waren in ihrer Gesamtheit jedoch so exotisch, dass zu einer präziseren Bestimmung der physikalischen Parameter ein sorgfältiger Vergleich mit theoretischen Vorhersagen notwendig wurde. Für eine solche Analyse verglichen die Wissenschaftler ihre Daten mit Modellen, die von Dr. Derek Homeier von der Landessternwarte Heidelberg entwickelt wurden. „Der Vergleich dieser ungewöhnlichen und komplexen Atmosphäre des Himmelskörpers mit Computermodellen und daraus berechneten Spektren ermöglichte erst eine zuverlässigere Abschätzung von Temperatur und chemischer Zusammensetzung, die uns letztlich die wahrscheinliche Einordnung als brauner Zwerg erlaubte“ erläutert Homeier.

Im Rahmen seiner Tätigkeit im SFB arbeitet Homeier daran, diese Modelle mit noch aufwendigeren numerischen Simulationen zu erweitern, die auch dynamische Prozesse solcher Sternatmosphären abbilden. Damit soll in Zukunft ein umfassenderer Parameterbereich für die Analyse der ältesten Sterne erfasst werden, um zum Beispiel noch feinere Details ihrer Zusammensetzung abbilden zu können.

Komplementär dazu hoffen die Wissenschaftler, mit den im nächsten Jahr erwarteten Vermessungsdaten des Gaia-Satelliten die Entfernung und die Bahn von SDSS J0104+15 weit genauer bestimmen zu können und daraus seine Herkunft innerhalb des Milchstraßenhalos besser zurückverfolgen zu können. Diese Ortsbestimmung gemeinsam mit der chemischen Signatur könnte Aufschluss über den genauen Ursprung und den Entstehungsmechanismus der Himmelskörper aus den ältesten und ursprünglichsten Regionen unseres Milchstraßensystems geben.


Ergänzende Information:

Die Pressemitteilung der Royal Astronomical Society findet sich hier: http://www.ras.org.uk/news-and-press/2967-astronomers-identify-purest-most-massive-brown-dwarf, die Originalveröffentlichung kann unter https://academic.oup.com/mnras/article-lookup/doi/10.1093/mnras/stx350 eingesehen werden.

Derek Homeier wird durch den das Teilprojekt A4 des Sonderforschungsbereiches SFB881 "Das Milchstraßensystem" der Universität Heidelberg unterstützt. Sonderforschungsbereiche sind langfristige Projekte zur Grundlagenforschung, die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) bis zu einer Dauer von 12 Jahren gefördert werden.

Unsere Heimatgalaxie, die Milchstraße, ist eine Spiralgalaxie und damit ein typischer Vertreter der Galaxien im heutigen Universum. Aufgrund unserer Lage innerhalb der Milchstraße bietet sie uns eine einzigartige Möglichkeit zur Untersuchung der physikalischen Prozesse bei der Entstehung von Galaxien. Die am SFB881 beteiligten Wissenschaftler untersuchen seit 2008 die Entstehung und Evolution der Milchstraße und ihrer Umgebung.

Der SFB 881 befindet sich am Zentrum für Astronomie der Universität Heidelberg (ZAH) und umfasst Wissenschaftler des Astronomischen Rechen-Institut (ARI), dem Institut für Theoretische Astrophysik (ITA) und der Landessternwarte Königstuhl (LSW). Die beteiligten außeruniversitären Forschungseinrichtungen sind das Max-Planck-Institut für Astronomie (MPIA) und das Heidelberger Institut für Theoretische Studien (HITS). Darüber hinaus beteiligt sich das Haus der Astronomie (HdA), um die Forschungsergebnisse des SFBs der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.


Kontakt:

Dr. Renate Hubele
DFG Sonderforschungsbereich 881 „Das Milchstraßensystem“
Öffentlichkeitsarbeit
Tel. +49 6221 528-291
Email: hubele(at)hda-hd.de

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