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Gravitationswellen ausgesendet durch die Verschmelzung schwarzer Löcher im Zentrum der Milchstraße

17. Mai 2018


The Galactic nuclear centre
Abbildung 1: Das galaktische Zentrum aufgenommen im Infraroten mit dem NASA/ESA Hubble-Weltraumteleskops, 27000 Lichtjahre von der Erde entfernt. Im Zentrum dieses "nuklearen Sternhaufens" befindet sich das supermassive zentrale Schwarze Loch der Milchstraße. (Abbildung: NASA, ESA, T. Do and A. Ghez (UCLA), and V. Bajaj (STScI))
Das Zentrum unserer Milchstraße ist eine ihrer am dichtesten bevölkerten Regionen unserer Heimatgalaxie. Im Innersten unserer Galaxie befindet sich dabei ein supermassereiches Schwarzes Loch (SMBH) mit mehr als 4 Millionen Sonnenmassen, genannt Sgr A*. Die innersten 30 Lichtjahre der Milchstraße werden zudem von einem so genannten "nuclear star cluster" (wörtlich übersetzt etwa "Kernsternhaufen" oder nuklearer Sternhaufen) dominiert. Diese zentralen Sternhaufen sind extrem helle und dichte Ansammlungen von Sternen, die in den meisten Galaxien beobachtet werden können.

Astronomen gehen davon aus, dass sich diese Sternansammlungen zumindest teilweise durch wiederholte Kollisionen grosser massiver Sternhaufen bilden, die selbst in den inneren Regionen der Galaxie entstanden sind. So scheint sich auch im Zentrum unserer eigenen Galaxis eines der dichtesten Sternsysteme des uns bekannten Universums mit mehr als 20 Millionen Sternen gebildet zu haben.

Massive Sternhaufen bieten dabei auch ideale Bedingungen für die Bildung von stellaren Schwarzen Löchern (BHs), mit Massen von 10 - 100 Sonnenmassen, und gelten als die wahrscheinlichsten Geburtsorte für die bisher nur postulierten Schwarzen Löcher mittlerer Massen (IMBHs), mit vermeintlichen Massen im Bereich von etwa 100 bis 100000 Sonnenmassen. Sollte der zentrale Sternhaufen unserer Galaxis tatsächlich durch eine Reihe von Kollisionen mehrerer massiver Cluster entstanden sein, so wären auch die dort gebildeten schwarzen Löcher in den nuklearen Sternhaufen übergegangen. Dies hätte auch Auswirkungen auf die Dynamik in den inneren galaktischen Regionen.

Eine kürzlich veröffentlichte Studie von Dr. Manuel Arca-Sedda vom Astronomisches Rechen-Institut am Zentrum für Astronomie der Universität Heidelberg und Dr. Alessia Gualandris der University of Surrey befasste sich nun mit diesem immer noch ungeklärten Aspekt unserer Heimatgalaxie. Die beiden Astronomen präsentierten ein theoretisches Modell der Entwicklung eines massiven Sternhaufens, der sich auf einer Spiralbahn in Richtung des Zentrums der Milchstraße bewegt. Sie betrachteten die Entwicklung des Sternhaufens dabei einmal unter der Annahme, dass er ein Schwarzes Loch mit mittlerer Masse beherbergt, sowie für den Fall, dass er eine signifikante Population von stellaren schwarzen Löchern aufweist (siehe Abb. 2). Für ihre Modelle benutzten die Wissenschaftler dabei eine der aufwendigsten numerische Simulationen, die bisher im Bereich der dynamischen Untersuchung des galaktischen Zentrums verwendet wurden.

Simulation des Galaktischen Zentrums
Abbildung 2: Simulation der Entwicklung des Zentrums der Galaxie in zwei verschiedenen Modellen.
Links das Modell, das einen Sternhaufen mit einem Schwarzen Loch mittlerer Masse (IMBH) beherbergt, Rechts ein Modell, in dem der Sternhaufen eine signifikante Population von stellaren BHs enthält.

Da sich die schwarzen Löcher in der Simulation in der Nähe des zentralen SMBH ablagern, wechselwirken sie aufgrund der starken Schwerkraft des SMBH stark miteinander. Diese Wechselwirkung führt zur Emission von Gravitationswellen, Wellen der Raumzeit, die von Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie vorhergesagt und erst kürzlich vom internationalen LIGO/VIRGO-Detektor beobachtet wurden.

"Unser Modell deutet darauf hin, dass die Milchstraße vor einigen Milliarden Jahren die Verschmelzung zwischen ihrem zentralen supermassiven Schwarzen Loch und einem Schwarzen Loch mittlerer Masse erfahren haben könnte, ein Ereignis, das sich mit der Aussendung von Gravitationswellen bemerkbar gemacht hätte", erklärt Dr. Arca-Sedda die Ergebnisse der Studie. Zusätzlich könnte unser zentrales Schwarzes Loch Tausende von Schwarzen Löchern stellarer Massen eingefangen haben, die dann stark gebundene Paare schwarzer Löcher bildeten. Diese Paare senden Graviationswellen aus, die in Zukunft sicherlich von Gravitationswellendetektoren wie LISA erfasst werden können.

"Unser Modell deutet darauf hin, dass die Milchstraße vor einigen Milliarden Jahren die Verschmelzung zwischen ihrem zentralen supermassiven Schwarzen Loch und einem Schwarzen Loch mittlerer Masse erfahren haben könnte, ein Ereignis, das sich mit der Aussendung von Gravitationswellen bemerkbar gemacht hätte", erklärt Dr. Arca-Sedda die Ergebnisse der Studie. Zusätzlich könnte unser zentrales Schwarzes Loch Tausende von Schwarzen Löchern stellarer Massen eingefangen haben, die dann stark gebundene Paare schwarzer Löcher bildeten. Diese Paare senden Graviationswellen aus, die in Zukunft sicherlich von Gravitationswellendetektoren wie LISA erfasst werden können.

Mit dieser Studie ist es auch erstmals möglich, die durchschnittliche Rate dieser Wechselwirkungen zwischen dem zentralen Schwarzen Loch und kleineren schwarzen Löchern in Galaxien wie unserer Milchstraße abzuschätzen. Diese Information ist für Astronomen, die in der Gravitationswellenastronomie arbeiten, von grossem Nutzen, da sie die geschätzte Anzahl der zu beobachtenden Ereignisse bestimmen. Die hier vorgestellte Studie ermittelt dabei eine Rate von etwa 0,4-4 Verschmelzungen stellarer schwarzer Löcher pro Jahr, während die größeren IMBH-SMBH-Fusionen deutlich weniger wahrscheinlich sind, und bei etwa 1 Ereignis alle 357 Jahre liegen. Sollten sich diese Werte bewahrheiten, könnte das Gravitationswellen-Detektorsystem LISA etwa alle 4 Jahre eine BH-SMBH-Fusion messen.



Ergänzende Information:

Die hier präsentierten Ergebnisse wurden in: Manuel Arca-Sedda and Alessia Gualandris, Gravitational wave sources from inspiralling globular clusters in the Galactic Centre and similar environments im Fachjournal Monthly Notices of the Royal Astronomical Society veröffentlicht.

Diese Arbeit wurde im Rahmen des Unterprojektes Z2 des Sonderforschungsbereiches SFB 881 "Das Milchstraßensystem" der Universität Heidelberg durchgeführt. Sonderforschungsbereiche sind langfristige Projekte zur Grundlagenforschung, die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) bis zu einer Dauer von 12 Jahren gefördert werden.

Unsere Heimatgalaxie, die Milchstraße, ist eine Spiralgalaxie und damit ein typischer Vertreter der Galaxien im heutigen Universum. Aufgrund unserer Lage innerhalb der Milchstraße bietet sie uns eine einzigartige Möglichkeit zur Untersuchung der physikalischen Prozesse bei der Entstehung von Galaxien. Die am SFB881 beteiligten Wissenschaftler untersuchen seit 2008 die Entstehung und Evolution der Milchstraße und ihrer Umgebung.

Der SFB 881 befindet sich am Zentrum für Astronomie der Universität Heidelberg (ZAH) und umfasst Wissenschaftler des Astronomischen Rechen-Institut (ARI), dem Institut für Theoretische Astrophysik (ITA) und der Landessternwarte Königstuhl (LSW). Die beteiligten außeruniversitären Forschungseinrichtungen sind das Max-Planck-Institut für Astronomie (MPIA) und das Heidelberger Institut für Theoretische Studien (HITS). Darüber hinaus beteiligt sich das Haus der Astronomie (HdA), um die Forschungsergebnisse des SFBs der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

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SFB-Wissenschaftlerin Clio Bertelli Motta verteidigte erfolgreich ihre Doktorarbeit zum Thema: "Auswirkungen der Sternentwicklung auf die chemische Zusammensetzung der Oberfläche von Sternen anhand des offenen Sternhaufens M67"

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