< Willkommen beim SFB 881

Heidelberger Wissenschaftler weisen erstmals die Existenz von Sternenschweifen an offenen Sternhaufen nach

20. Februar 2019


Hyaden
Abbildung 1: Aufnahme der Hyaden, des sonnennächsten offenen Sternhaufens. Bild: NASA, ESA, and STScI

Astronomen des Sonderforschungsbereichs SFB 881 am Zentrum für Astronomie der Universität Heidelberg konnten anhand der kürzlich veröffentlichten Daten des Astrometrie-Satelliten Gaia die Existenz von sogenannten Sternschweifen an den Hyaden, dem sonnennächsten offenen Sternhaufen, nachweisen. Diese Schweife entstehen im Laufe des Auflösungsprozesses der Sternhaufen, während diese Sterne an ihre Umgebung verlieren.

Offene Sternhaufen sind Ansammlungen von etwa 100 bis wenigen tausend Sternen, die nahezu gleichzeitig aus einer kollabierenden Gaswolke entstanden sind. Seit diesem Zeitpunkt bewegen sich die Mitglieder des Haufens mit nahezu derselben Geschwindigkeit durch den Raum. Offene Sternhaufen gehören zu den eher jüngeren Gebilden in der Galaxis. Verschiedene Einflüsse führen dazu, dass sie sich bereits nach einigen hundert Millionen Jahren auflösen und sich die zugehörigen Sterne in der Galaxie verteilen.

Gegen die Eigengravitation, die die Sterne des Haufens aneinander bindet, arbeitet unter anderem die Gezeitenwirkung der Milchstraße. Ähnlich wie der Mond für die Gezeitenwelle auf den Weltmeeren verantwortlich ist, erzeugt die Milchstraße eine Gezeitenwelle, welche auf die offenen Sternhaufen wirkt. Aufgrund der enormen Masse der Milchstraße ist diese Kraft ist ausreichend, um im Laufe der Zeit Sterne aus dem Sternhaufen heraus zu ziehen.

Während der Bewegungen der Sternhaufen durch die Milchstraße führt dies zur Ausbildung von zwei Stern-Schweifen, wobei ein Schweif dem Haufen vorangeht und einer ihm nachfolgt. Theoretisch vorhergesagt wurde dieses Phänomen bereits seit einigen Jahren, beobachtet wurde es bislang nicht. Da die Konzentration der Sterne in den Schweifen um ein Vielfaches geringer ist als im Haufen selbst, sind sie nicht ohne weiteres vom hellen Hintergrund der Milchstraße zu unterscheiden.

Nun ist es Astronomen des Zentrums für Astronomie der Universität Heidelberg und des Max-Planck-Institutes für Astronomie erstmals gelungen, diesen Beginn vom Ende eines Sternhaufens nachzuweisen. Dazu nutzen die Forscher die im April 2018 veröffentlichen Daten des Astrometrie-Satelliten Gaia, der seit fünf Jahren den Sternenhimmel systematisch vermisst. 2018 wurden dabei die Positionen und Eigenbewegungen von über 1.3 Milliarden Sternen veröffentlicht, deren Genauigkeit bisherige Messungen um ein Vielfaches übertrifft.

HyadenDR
Abbildung 2: Lage der Hyaden am Himmel einschließlich ihrer nun beobachteten Sternschweife. Im Hintergrund ist eine Ansicht der Milchstraße über den gesamten Himmel, basierend auf Daten des Gaia-Satelliten, zu sehen. Bild: S. Röser, ESA/Gaia/DPAC

Mithilfe dieser hochgenauen Daten konnten die Wissenschaftler diese Schweife bei einem der ältesten und am besten untersuchtesten Sternhaufen, den Hyaden nachweisen. Dazu nutzen sie einen Trick: „Der Gaia Satellit liefert uns keine direkten Himmelsaufnahmen, sondern misst die Bewegungen und Positionen der Sterne. Aus der riesigen Datenmenge haben wir nun diejenigen heraus gesucht, die sich mit nahezu gleicher Geschwindigkeit wie der Haufen selbst bewegen und deren Position sich in der Nähe des Haufens befindet. So konnten wir etwa 500 Sterne im Haufen selbst, und jeweils etwa 250 Sterne in den beiden Schweifen entdecken“, berichten Dr. Siegfried Röser von der Landessternwarte Heidelberg. „Den vorangehenden Schweif konnten wir bis zu 550 Lichtjahren vom Haufen entfernt nachweisen. Der nachfolgende Schweif kam nur auf etwa 250 Lichtjahre Länge, zudem wirkte er bereits ziemlich zertrümmert“. Als Erklärung dafür führen die Wissenschaftler weitere Prozesse in der Milchstraße an, die zu einem frühzeitigen Auflösen solch eines Sternenschweifes führen könnten. „Die Milchstraße ist kein ruhiges System, es kommt beispielsweise zu Kollisionen mit weiteren massereichen Gaswolken, die Sterne aus dem Schweif herausschleudern können“, führt Dr. Elena Schilbach von der Landessternwarte an.

Unabhängig von den Heidelberger Astronomen ist es einer Gruppe an der Universität Wien ebenfalls gelungen, diese Schweife der Hyaden in den Gaia-Daten nachzuweisen, sie veröffentlichten ihre Ergebnisse drei Tage später (Link). Beiden Gruppen kommen trotz unterschiedlicher Ansätze zu übereinstimmenden Ergebnissen und bestätigen diese damit.



Ergänzende Information:

Die Pressemitteilung der Universität Heidelberg finden sie hier

Die hier präsentierten Ergebnisse wurden in: Siegfried Röser, Elena Schilbach and Bertrand Goldman, Hyades tidal tails revealed by Gaia DR2 im Fachjournal Astronomy and Astrophysics veröffentlicht.


Diese Arbeit wurde im Rahmen des Sonderforschungsbereiches SFB 881 "Das Milchstraßensystem" der Universität Heidelberg durchgeführt. Sonderforschungsbereiche sind langfristige Projekte zur Grundlagenforschung, die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) bis zu einer Dauer von 12 Jahren gefördert werden.

Unsere Heimatgalaxie, die Milchstraße, ist eine Spiralgalaxie und damit ein typischer Vertreter der Galaxien im heutigen Universum. Aufgrund unserer Lage innerhalb der Milchstraße bietet sie uns eine einzigartige Möglichkeit zur Untersuchung der physikalischen Prozesse bei der Entstehung von Galaxien. Die am SFB881 beteiligten Wissenschaftler untersuchen seit 2008 die Entstehung und Evolution der Milchstraße und ihrer Umgebung.

Der SFB 881 befindet sich am Zentrum für Astronomie der Universität Heidelberg (ZAH) und umfasst Wissenschaftler des Astronomischen Rechen-Institut (ARI), dem Institut für Theoretische Astrophysik (ITA) und der Landessternwarte Königstuhl (LSW). Die beteiligten außeruniversitären Forschungseinrichtungen sind das Max-Planck-Institut für Astronomie (MPIA) und das Heidelberger Institut für Theoretische Studien (HITS). Darüber hinaus beteiligt sich das Haus der Astronomie (HdA), um die Forschungsergebnisse des SFBs der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.



Federführende SFB-Wissenschaftler des Forschungsprojektes:

Dr. Siegfried Röser
Landesternwarte und Astronomisches Rechen-Institut
Zentrum für Astronomie der Universität Heidelberg (ZAH)
roeser@ari.uni-heidelberg.de

Dr. Elena Schilbach
Landesternwarte und Astronomisches Rechen-Institut
Zentrum für Astronomie der Universität Heidelberg (ZAH)
elena@ari.uni-heidelberg.de

Aktuelles:

Im Fokus:

thesis

SFB-Wissenschaftlerin Clio Bertelli Motta verteidigte erfolgreich ihre Doktorarbeit zum Thema: "Auswirkungen der Sternentwicklung auf die chemische Zusammensetzung der Oberfläche von Sternen anhand des offenen Sternhaufens M67"

Veranstaltungen:

Veranstaltungen für Fachpublikum:

Gefördert durch:

DFG

Kontakt:

Dr. Renate Hubele
Öffentlichkeitsarbeit
Sonderforschungsbereich SFB 881 "Das Milchstraßensystem"
Tel: 06221 528-291
hubele(at)hda-hd.de

Impressum:

Impressum
Datenschutzerklärung

Logo Uni Heidelberg Logo ZAH Logo MPIA Logo HITS Logo HdA