6. Februar 2018
Chemie der Sterne
In ihrer Arbeit untersuchte Clio Bertelli Motta die Auswirkungen der Sternentwicklung auf die chemische Zusammensetzung der Oberfläche von Sternen
anhand des offenen Sternhaufens M67.
Offene Sternhaufen sind Ansammlungen von Sternen,
die nahezu zeitgleich innerhalb derselben chemischen Umgebung, einer so genannten Molekülwolke, entstanden sind.
Sie stellen hervorragende Studienobjekte für Astronomen dar,
da sie aufgrund der identischen Entfernung und Alters ihrer Mitglieder ideale Bedingungen für Vergleiche der Sterne des Haufens untereinander bieten.
Der offene Sternhaufen M67 als Modellobjekt
Dabei zählt der Sternhaufen M67 wohl zu einem der am gründlichsten untersuchten Sternhaufen, da seine Mitglieds-Sterne ein ungewöhnlich hohes Alters von rund 4 Milliarden Jahren, sowie eine der Sonne sehr ähnliche chemische Zusammensetzung aufweisen. Anders als die meisten anderen, im Allgemeinen sehr jungen, offenen Sternhaufen, enthält M67 Sterne in ganz verschiedenen Entwicklungsphasen, angefangen von Hauptreihen-Sternen (Sterne während ihrer längsten, stabilen Lebensphase) bis hin zu so genannten roten Klumpen-Sternen, die sich bereits in einer späten Phase ihres Lebenszyklus befinden und zur Fusion von Helium übergegangen sind.
Aufgrund dieser astronomischen Bedeutung stehen daher für die Mitglieder von M67 genügend Spektren mit ausreichend hoher Auflösung zur Verfügung. Für ihre Arbeiten verwendeten Bertelli Motta und ihre Kollegen vorwiegend Daten aus den Archiven von großen spektroskopischen Himmels-Durchmusterungen wie APOGEE und Gaia-ESO. Diese Untersuchung liefern hoch-aufgelöste Spektren der Sternoberflächen, und lassen so Rückschlüsse auf deren chemische Zusammensetzungen zu.
Durch ihre gemeinsame Entstehungsgeschichte stammen die Sterne eines offenen Sternhaufens alle aus derselben Sternpopulation und weisen daher sehr ähnliche chemische Zusammensetzungen auf. Unterschiede in diesen Zusammensetzungen müssen daher aus Prozessen während und nach der Entstehung der Sterne hervorgegangen sein. Dabei sind sowohl Inhomogenitäten der elterlichen Molekülwolke möglich, als auch Prozesse, die während der Entwicklung des Sterns in seinem Inneren vorkommen. Diese Prozesse und ihre Auswirkungen auf die chemischen Zusammensetzung der Oberflächen von Sternen in den verschiedensten Entwicklungsstadien waren Gegenstand der Untersuchungen von Bertelli Motta.
Der "First Dredge Up"-Prozess
Einer dieser Prozesse, der zu geänderten Sternspektren führen kann, ist dabei der so genannte "First Dredge-Up", ein Prozess in der Entwicklung eines Sterns, bei dem Material aus dem Sterninneren (das im Allgemeinen spektroskopischen Beobachtungen verborgen bleibt) an dessen Oberfläche transportiert wird. Die Wissenschaftlerin am Astronomischen Recheninstitut des Zentrums für Astronomie an der Universität Heidelberg analysierte dabei vor allem die Häufigkeit des Elementes Kohlenstoff im Verhältnis zu Stickstoff [C/N] an den Sternoberflächen verschiedener Sterne. Die Kenntnis dieses Element-Verhältnisses in Relation zum Alter eines Sterns (das man von Sternen innerhalb eines Sternhaufens gut kennt) ist für Astronomen von grundlegender Bedeutung, da Messungen dieser Element-Vorkommen zur Altersbestimmung anderer Feld-Sterne verwendet werden können. Bertelli Motta verwendete ihre Ergebnisse daher im Anschluss zur Überprüfung gängiger Modelle zur Sternentwicklung und der Bestimmung des Alters eines Sterns aus dessen Stickstoff-Elementverhältnisses.
Atomare Diffusion
Ein weiterer Vorgang, der zu Veränderungen der zu Beginn homogenen Oberflächenzusammensetzungen von Sternen eines einzelnen offenen Sternhaufens führen kann, ist die atomare Diffusion. Auch dieser Prozess war Gegenstand der Arbeiten von Bertelli Motta. Sie konnte dabei nachweisen, dass die Veränderungen in den Oberflächenzusammensetzungen der Mitglieds-Sterne des Sternhaufens M67 in guter Übereinstimmung mit Vorhersagen von Sternentwicklungs-Modellen sind, die atomare Diffusion berücksichtigen.
Diese Ergebnisse sind vor allem für die galaktische Archäologie, der Frage nach der Entstehungsgeschichte unserer Milchstraße, von Bedeutung. Astronomen nutzen dabei die chemischen Zusammensetzung von Sternen, um damit auf ihren Entstehungsort zurück zu schließen. Dahinter steckt die Annahme, dass Sterne, die in derselben Molekülwolke (als Mitglied eines Sternhaufens) entstanden sind, auch identische chemische Oberflächenstrukturen aufweisen. Ändert sich diese Oberflächenzusammensetzung aber während der weiteren Entwicklungsgeschichte eines Sternes, ist diese Annahme nicht mehr ohne weiteres möglich. Diese Änderung muss mit berücksichtigt werden, möchten Astronomen aus der messbaren chemischen Zusammensetzung des Sterns auf seinen Entstehungsort schließen. Dies hat Auswirkungen auf die Modelle, mit denen Astronomen die Entstehung der Galaxis beschreiben wollen.
Die hier vorgestellte Arbeit ist unter "The footprints of stellar evolution on the chemical composition of the Galactic old open cluster M67" abrufbar.
SFB-Wissenschaftlerin Clio Bertelli Motta verteidigte erfolgreich ihre Doktorarbeit zum Thema: "Auswirkungen der Sternentwicklung auf die chemische Zusammensetzung der Oberfläche von Sternen anhand des offenen Sternhaufens M67"
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